Rolls-Royce & Bentley-Forum

Rolls-Royce+Bentley-Technik => Allgemeine technische Themen => Thema gestartet von: FuryFurlan am Mi.17.Dez 2025/ 11:02:09

Titel: Bentley MK V
Beitrag von: FuryFurlan am Mi.17.Dez 2025/ 11:02:09
Guten Tag allerseits,
ich bin neu in diesem Forum, beschäftige mich aber seit etwa 16 Jahren mit der Erhaltung und Pflege von Rolls-Royce- und Bentley-Oldtimern.
Zum ersten Mal stehe ich vor einem Problem, das ich nicht lösen kann – zumindest nicht, ohne Hunderttausende Euro auszugeben.
Ich bin in den Besitz einer der sechs noch existierenden Bentley MK V gekommen. Trotz vieler Anstrengungen habe ich es geschafft, sie fahrbereit zu machen; mit der Zeit jedoch – der Motor lief anfangs wie ein Schweizer Uhrwerk – begann er, Hilfesignale zu senden.
Ich bemerkte viel weißen Rauch bergab im Schubbetrieb, einen immer höheren Ölverbrauch und Wassertemperaturen, die im Sommer weit über dem Normalen lagen.
Wir haben uns entschieden, ihn auszubauen und zu öffnen, mit einiger Beklemmung, um zu sehen, was sich verbarg.
Das größte Problem fand ich im Zylinderkopf: Die Wasserkanäle waren komplett verstopft (so etwas habe ich noch nie gesehen), die Auslassventilsitze haben je mindestens einen Riss, und aufgrund eines vermuteten Unfalls – nichts Geringeres als mit Woolf Barnato – hat der Kopf fragwürdige Schweißnähte erhalten.
Derzeit versuche ich das Unmögliche: Ich reinige die Kanäle durch Elektrolyse in einer Natriumcarbonat-Lösung mit 12 V und 10 A. Ich lasse es mindestens 100 Stunden laufen, sehe es aber sehr schwierig; ich hoffe, ich irre mich.
Säuren möchte ich nicht verwenden, da sie die inneren Wände des Kopfs weiter schwächen würden.
Falls jemand Ideen hat, wie man diesen Kopf wiederbeleben kann, ich bin ganz Ohr.
Titel: Re: Bentley MK V
Beitrag von: PY158 am Mi.17.Dez 2025/ 11:56:19
Hallo FuryFurlan und herzlich willkommen im Forum!

Zuerst einmal Glückwunsch zu deinem seltenen Fahrzeug! Dass sich die Kühlwasserkanäle zusetzen, ist nicht ungewöhnlich, vor allem nach Jahrzehnten von Standzeit oder dem Einsatz falscher Kühlmittelzusätze. Bei der Mechanik kenn ich mich nicht so aus, z.B. weiß ich nicht, ob man die Ventilsitze austauschen kann, etwa weil sie eingepresst sind, oder ob sie in den vollen Block gefräst sind, sodass man die Risse in den Sitzen nicht mehr wegbekommt. Hast du denn die üblichen Götter in Blau (Ristes, Alpine Eagle oder Ghost Motors in GB, Werner Mork in D, Bentley Clubreferenten für Mk. V) schon angesprochen?

Schweißnähte an Block und/oder Kopf sind nichts Ungewöhnliches und müssen kein Beinbruch sein, hatte ich bei meinem Phantom II #158PY auch. Allerdings höre ich heute zum ersten Mal, dass es auf Grund eines vermuteten Unfalls zu fragwürdigen Schweißnähten gekommen ist. Was der gute Herr Barnato damit zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht, seine Bentley-Zeiten waren schon seit einigen Jahren vorbei, als der Mk. V kurz vor dem 2. Weltkrieg in die Erprobung ging. Und wenn es sicher wäre, dass Herr Barnato am Steuer eines der beteiligten Autos gesessen hat, wäre es kein "vermuteter", sondern ein "bestätigter" Unfall. Aber das gehört nach meiner Auffassung alles in die Welt der Mythen und Fabeln, die rund um unsere Lieblingsautos hauptsächlich von Gebrauchtwagenverkäufern gerne gedichtet werden, damit die Fahrzeuge noch ein Stück interessanter sind.

Gebaut wurden insgesamt 19 Fahrzeuge, 15 Mk. V und 4 Corniche, wovon 11 Mk. V und 1 Corniche fertig gebaut und karossiert wurden, 4 Mk. V und 3 Corniche Fahrgestelle blieben unvollständig. Der Corniche (Zul. GRA270) ging allerdings anfangs des 2. Weltkriegs durch Feindeinwirkung am Kai von Dieppe verloren (nur die Fahrzeugschlüssel blieben erhalten) und wurde daher vom VW Konzern bzw. Bentley vor einigen Jahren als eine "Rekreation" wieder aufgebaut.
Titel: Re: Bentley MK V
Beitrag von: FuryFurlan am Mi.17.Dez 2025/ 13:55:17
Vielen Dank für die Antwort. Die MK V in meinem Besitz hat das Kennzeichen FLY 811 (also B 34 AW), die letzte der Derby-Baureihe. Zur Orientierung: Das Originalkennzeichen bei der Auslieferung am 5. Juni 1940 war JB1.
Irgendwann, vermutlich in den 1980er Jahren, wurde der originale Motor K.8.BF durch den K.5.BF ersetzt, der aus dem Auto des Bentley Boys Capt. Woolf Barnato stammt. Das geschah, weil (soweit ich mich erinnere) der damalige Besitzer der B 34 AW finanzielle Probleme hatte und den Motor K.8.BF verkaufte (falls jemand, der diese Geschichte liest, weiß, wo er gelandet ist – bitte kontaktieren Sie mich, wir würden ihn sofort kaufen). Ohne Motor nahm man den von Barnato, dessen Auto einen Unfall hatte (ich erinnere mich nicht genau wann), bei dem Chassis und Karosserie zerstört wurden (es prallte gegen einen Baum, wenn ich richtig liege).
Man nimmt daher an, dass der Riss im Zylinderkopf bei diesem Unfall entstanden ist.
Die MKV Corniche wurde auf Basis dieser MK V nachgebaut, da zur gleichen Zeit, als das Corniche-Rekonstruktionsprojekt lief, unsere MK V gerade restauriert wurde.
Titel: Re: Bentley MK V
Beitrag von: Amphiranger am Mi.17.Dez 2025/ 15:44:05
Toller Wagen! Herzlichen Glückwunsch!  :)
https://www.charlesleith.com/cars-for-sale/1940-bentley-mkv-sports-saloon (https://www.charlesleith.com/cars-for-sale/1940-bentley-mkv-sports-saloon)

Ich bin jetzt nicht in dem Thema drin und ohne die Schäden am Zylinderkopf gesehen zu haben, fallen mir 2 Dinge dazu ein:

1. Risse am Ventilauslass kommen auch bei anderen Fahrzeugmarken häufiger vor. Wenn diese noch nicht allzu tief sind, können diese mit eingesetzten und gehärteten Ventilsitzringen repariert werden.

2. Es wird in der Literatur der Hinweis gegegeben, dass der Motor mit dem vom RR Wraith baugleich wäre. Wie weit das stimmt und ob das auch auf den Zylinderkopf zutrifft, vermag ich nicht zu verifizieren.

Aber ich denke, du bist viel tiefer in der Materie und hast beide Punkte längst abgecheckt und für nicht praktikabel erachtet. Wer bereits auf 16 Jahre RR/B Restaurationen zurückblicken kann, dem kann man nicht mehr viel neues erzählen...
Titel: Re: Bentley MK V
Beitrag von: Ostfale am Do.18.Dez 2025/ 13:32:43
Fotos oder es stimmt nicht :D
Bist du schon mit dem Derby Bentley Registry vom RREC in Kontakt?
Dort habe ich dieses Jahr den neuen Registrar Quintin kennengelernt - und in Englan dann auch den hellblauen Mark V sehen können. Sind schöne Autos! Die Jungs können dir am besten mit dem Motor weiterhelfen.
Gibt auch alles 2 Jahre Seminare zu der Baureihe in England.

Titel: Re: Bentley MK V
Beitrag von: PY158 am Do.18.Dez 2025/ 17:10:25
Also Fotos gibt es doch in der verlinkten Anzeige einige... ;)

Wenn ich als Wraith-Fahrer etwas zum Motor sagen darf: ja, das ist ein 4,25ltr.-Motor, ja, der hat auch einen Querstromzylinderkopf, aber nachdem es ein Bentley, und damit ein leiser Sportwagen sein sollte, musste er natürlich mehr Schmalz haben als die 88kW / 120PS vom Wraith. Deshalb hat er auch nicht einen Stromberg-Vergaser wie beim Wraith, sondern zwei kräftige SU-Vergaser (hoffe mal, das stimmt so) und hoffentlich mehr Power (ich weiß allerdings nicht, wie viel die Maschine an die Welle schmeißt). Der Anzeigentext kann übrigens nicht stimmen: zumindest für MICH sieht die Konstruktion extrem stark nach Querstromzylinderkopf aus und nicht nach i.o.e. (inlet over exhaust), diese Bauart kam meines Wissens erst im Krieg mit der B-Reihe (B60 und B80) auf, aber ich mag mich auch täuschen, weil ich die Abgasführung nicht kapiere.

Und noch ein letztes Wort zur Nummer JB1: das war und ist die private Nummer von Jack Barclay, die er auf ganz, ganz viele Autos draufpappte, es gibt haufenweise Verkaufsfotos von verschiedenen Rolls-Royce und Bentley-Modellen aus der Zwischen- und Nachkriegszeit.
Titel: Re: Bentley MK V
Beitrag von: MarkusN am Do.18.Dez 2025/ 20:14:43
Diese Auto besitzt ein Querstromzylinderkopf und ist kein IOE da der Auspuffkollektor am Zylinderkopf und
nicht am Motorblock befestigt ist.
Gleich wie bei meinem geschätzten 20 HP von 1927.

Gruss Markus
Titel: Re: Bentley MK V
Beitrag von: cferbrecht am Fr.19.Dez 2025/ 12:41:50
https://www.charlesleith.com/cars-for-sale/1940-bentley-mkv-sports-saloon (https://www.charlesleith.com/cars-for-sale/1940-bentley-mkv-sports-saloon)

Schöner Beitrag! Allerdings gab es die "independent front suspension" nicht erst beim Wraith, sondern schon ab 1936 beim Phantom III – mit Schraubenfedern im Ölbad, einer Konstruktion, die von General Motors übernommen wurde.

Grüße aus dem Norden
Claus F. Erbrecht
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