Jürgen, bei diesen Modelljahren ist es nicht damit getan festzustellen, ob das Auto gegen Schrott tendiert oder so. Das Auto kann schön aussehen und auch rostfrei sein - und dennoch zum Alptraum werden.
1. Schau Dir wegen der Vorderachsaufhängung das Auto aus 15 Meter Entfernung von vorne an und achte auf die Stellung der Vorderräder. Wenn der Sturz ungewöhnlich stark aussieht, dann dürften die bald 20 Jahre alten Gummilager der Vorderachse (10 Stück an der Zahl!) aufgrund verlorengegangener Elastizität vom langen Stehen in der immer selben Stellung gelitten haben. Ohne Erneuerung läßt sich der Sturz dann nicht mehr in die richtige Einstellung bringen - und schief ablaufende Reifen sind dann vorprogrammiert und nur mit teurem Aufwand zu verhindern. Da das Auto lange nicht gefahren wurde, werden die Reifen schön aussehen, und bei Nutzung des Autos geht der schiefe Abrieb dann los. Neue Reifen machen das Auto insofern verdächtig, falls welche montiert sein sollten.
2. Die Elektronik kann ebenfalls zum Albtraum werden. Beim Blick in den Motorraum (s. Bilder) werde ich skeptisch, weil der Stecker des Drosselklappenpotentiometers lose auf dem Ventildeckel liegt. Der Stecker gehört mit Kabelbinder fixiert unter die kurz über ihm verlaufende Kabelleiste. Warum liegt der Stecker da wohl so herum? Ich würde sagen: Vorsicht! An dem Drosselklappenpoti wurde herumgefummelt, und das tut man nur, wenn da ein Problem aufgetreten oder vorhanden ist, entweder mit der Motor- oder mit der Getriebesteuerung. Dieses Potentiometer teilt dem EngineECU mit, in welchem Lastzustand der Motor sich befindet (drei Stufen bei diesem Modelljahr: Leerlauf, Teil- bzw. Vollast), und es teilt dem GetriebeECU über eine kontinuierliche Spannungsänderung mit, ob und wie es (in Abhängigkeit von anderen Faktoren) schalten soll und ersetzt damit in etwa den Druckmodulator der Dreiganggetriebe. Zum weicheren Schalten werden Zündzeitpunkt und Öldruck zurückgenommen. An dem Poti wurde möglicherweise herumgemessen, um einem Fehler auf die Spur zu kommen - ob mit Erfolg, sieht man natürlich nicht. Wäre da nichts gemacht worden, würde der Stecker kaum so lose da herumliegen.
Achte beim Einschalten der Zündung darauf, daß beim linken Hinterrad für 1 Sekunde lang ein Summen oder Brummen zu hören ist. Das Geräusch muß nach einer Sekunde aufhören, es darf nicht weiter Brummen oder Summen, trotz eingeschalteter Zündung! Das ist wichtig. Wenn das Summen nicht aufhört nach 1 Sekunde, hat das EngineECU von vornherein eine Macke! Das Teil kostet neu 2.000 Euro, überholt etwa die Hälfte. Das Brummen bedeutet, daß die Benzinpumpen anlaufen und die Einspritzanlage unter Druck setzen. Das muß nach einer Sekunde beendet sein. Bei jedem erneuten Einschalten der Zündung muß derselbe Effekt auftreten! Dieser Fehler des ECU wird nicht im Fehlerspeicher registriert!
Ich würde auf jeden Fall vor einer Probefahrt den Fehlerspeicher sowohl des EngineECU als auch des GetriebeECU auslesen, das geht ohne Hilfsmittel und sollte eh eine Standardübung beim Kauf eines solchen Autos sein. Wenn keine Fehler gespeichert sind, dann sollte man nach einer Probefahrt die Fehler abfragen - Abschalten der Batterie vom Bordnetz für nur 4 Sekunden löscht alle Fehler, eine einfache Art, elektronische Fehler zu vestecken, die erst während der Fahrt oder nur unter bestimmten Bedingungen auftreten.
3. Prüfe auch das ARC, also das automatische Fahrwerk. Auch da wird gerne herumgetrickst, um Fehler an den zwei (!) Steuergeräten zu verdecken. Fahr mit dem Auto im Schrittempo eine Bordsteinkante runter oder sehr langsam über deftige Unebenheiten. Das Auto muß dann weich federn, weicher als wenn Du bei Tempo 50 auf schlechter Straße fährst. Und um Tempo 100 herum darf das Auto nicht hart wie ein Brett sein. Die Federung muß sich den Umständen anpassen. Fahr mit 30 Sachen und mach dann plötzliche heftige Lenkbewegungen - die Federung muß sich spürbar zum härteren verändern. - Die Federung kann man nur während der Fahrt testen, im Stand ist sie immer auf die härteste Stufe geschaltet, auch bei laufendem Motor! Auch des ECU des automatischen Fahrwerks hat einen Fehlerspeicher, der aber leider nur mit Hilfsmittel auslesbar ist - mit AL haben wir so ein Gerät nachgebaut, er kann Dir da ggf. helfen. Eine fehlerhafte Fahrwerkssteuerung liegt vor, wenn das Auto immer hart fährt. Manche ARCs sind mit einem Ersatzchip versehen, der wegen ungewöhnlicher Umschaltgeräusche der Federung das Fahrwerk außer bei ganz langsamer Fahrt immer auf hart stellt - das ist ärgerlich und unkomfortabel und verbirgt Mängel des Fahrwerks, die dann nur noch sehr mühsam aufspürbar sind.
4. Schau im Motorraum auf die Federbeindome. Die oben rausschauenden Enden der Federbeine müssen genau in der Mitte sitzen. Überraschend häufig sind sie aus der Mitte raus. Laß die Finger von vornherein von einem Fahrzeug, bei dem das der Fall ist, das kann teuer werden - ein neuer Deckel auf dem Federdom wäre noch das kleinste anzunehmende Übel.
5. Auf einem der Bilder, die das Armaturenbrett zeigen, fällt mir auf, daß der Motor im Leerlauf läuft, die Öldruckanzeige aber auf Vollausschlag steht! Kann sein, daß die Anzeige einfach defekt ist (Öldruckschalter/Anzeigeinstrument/Wackelkontakt am Stecker), kann aber auch sein, daß der Öldruck wirklich zu hoch ist - das wäre gefährlich! Achte darauf!
Ich habe nur ein paar Beispiele genannt, die typische Fehler dieser Autos darstellen. Aber wie schon gesagt - ich höre womöglich nur die Flöhe husten. Bekanntlich ist aber Vorsicht die Mutter der Porzellankiste, und das gebrannte Kind sollte das Feuer scheuen! Wie das so ist, wenn man meint, ein Schnäppchen machen zu können, kauft man plötzlich nicht mehr mit dem Verstand. Für den aufgerufenen Preis wäre ich auf - vielleicht gut versteckte - Mängel eingestellt, trotz der auch für mich unattraktiven Farbkombination, die den Preis sicher etwas drückt.
Gruß - Udo