Autor Thema: Alles passiert ...  (Gelesen 2278 mal)

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Offline Udinho

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Alles passiert ...
« am: Di.28.Mai 2019/ 10:55:08 »
... irgendwann zum ersten Mal. Dieses Mal hatten wir aber weniger Spaß dabei.

Wir fahren mit dem Conti durch die niedersächsische Frühlingslandschaft, es fehlt noch allerhand an Grün, der Frühling scheint spät dran Anfang April. Auf einmal sagt der Beifahrer: "Hup doch mal!" Der hat das manchmal so. Wir sind auf dem Land, allein, also gut, ich hupe, nur - es tut sich nichts. Nanu? Nochmal - geht nicht. So was aber auch. Frische Luft gibt's auch nicht mehr, die Fensterheber rühren sich nicht. Komisch. Die Fanare geht aber. Die Klimaanlage pustet weiter kühle Luft ins Auto. Das ABS geht aber nicht mehr. Der Tacho ist auf null, während der Drehtzahlmesser normal arbeitet. Keine Fehleranzeige im Display. Wir biegen in einen Waldweg ab, um nach dem Problem zu schauen - die Blinker gehen auch nicht, ohne Blinker auf dem Land, naja, geht noch, aber morgen früh müssen wir nach Bremen, im Stadtverkehr ohne Blinker ist doof bis gefährlich. Der Warnblinker, der geht aber. Nebenbei mal auf die Bremslichter geschaut - gehen auch nicht. Der Gangwählhebel geht aber, Licht geht auch, außen wie innen. Sehr komisch. Und - wir hätten den Motor nicht ausmachen sollen, denn jetzt wird's echt ärgerlich: Der Anlasser geht auch nicht - die Benzinpumpen aber arbeiten, nach dem Einschalten der Zündung pumpen sie eine Sekunde lang, um dann zu stoppen, das EngineECU arbeitet offensichtlich. Was tun? Ohne Anlasser ist es schwierig, so langsam schleicht sich Panik an ... aber Udinho ist ja nicht dumm - einfach das Starterrelais rausgezogen und mit einem Draht überbrückt - springt an, als wäre nichts gewesen. Wir können also getrost nach Hause fahren. Zeit für die Fehlersuche bleibt am Abend allerdings nicht mehr.

Am nächsten Morgen ging's also nach dem Starten mit dem Draht-Starter nach Bremen zu Ingo Laging, wo der Conti nach mehr als 50.000 km Reisen in unseren Händen seine erste Werkstattbehandlung erhält: ein neues Lenkgetriebe soll er bekommen. Liegt alles bereit, wird auch in weniger als drei Stunden fertig sein, aber sie sollen auch gleich den Wurm in der Kabelei einfangen und alle machen. Wir fahren also mit dem firmeigenen Auto nach Hause. Nächsten morgen der Freude verbreitende Anruf: Fehler gefunden, Auto startklar. Wir also hin, voller Freude in den Conti einsteigen, Zündung an und - hupen! Pah! Tut sich nix! Fensterheber - tut sich nix! Anlasser - tut sich nix! Was ist das denn? Meine Skepsis gegenüber Werkstätten ist gleich erwacht und läßt den Blutdruck in die Höhe schnellen: Hätte ich mir das man selbst angeschaut ... A.B. muß also wieder ran, ist tendenziell ratlos, denn er hatte es doch gefunden, die Sicherung F1 A8 brannte immer durch (warum nur?) und mir verklickert, daß das nur meine selbstgemachten Anschlüsse gewesen sein können, als da sind USB-Anschlüsse für Händi pp, Head-up-Display, Dahscam, vordere Abstandspieper, ... Aber das mit der Schuldzuweisung war wohl in die Hose gegangen. Alle meine selbst gemachten Kabel rausgerupft, und doch ist der Fehler wieder da. Die Sicherung F1 A8 war nämlich, kaum daß unsereiner im Conti saß, gleich wieder durchgebrannt.

Kurz und gut: Meiner Meinung nach soll man nicht rummessen bis zum Vergasen, sondern symptomorientiert vorgehen. Also: Mit "hup doch mal " fing alles an. Ziehen wir also mal das Hupenrelais raus und stecken ein neues rein - ist der Fehler weg? Ja! Ja? Jaha!! Motor springt an, Fensterheber gehen, hupen tut's, ... also bleibt das neue Relais drin, und nach ein paar Mal hupen und Fenster rauf und runter und Motor ausmachen und anlassen geht alles immer noch. Na bitte! Wozu lange rummessen? Wir machen das Relais aus Neugier mal auf, und jetzt kommt's: Die Diode ist geplatzt, richtig geplatzt. Und wenn sie geplatzt ist, macht sie einen Kurzschluß. Und wenn man von diesem Relais aus im Schaltplan rückwärts geht, stößt man auf Spleißstellen, die zu all den ausgefallenen Aggregaten führen, siehe oben, vielleicht kommt noch das eine oder andere nicht entdeckte dazu.

Drum merke: Wenn so verschiedene Teile einfach den Dienst einstellen, die keinen sinnvollen, auf den ersten Blick erkennbaren Zusammenhang miteinander haben, dann suche man nach einem Relais, das mit einem der betroffenen Aggregate in Zusammenhang steht und prüfe seine Diode. Ob  Alterschwäche des Teils oder etwas anderes die Diode zum Platzen brachte, ist nicht geklärt. Eigentlich muß ja ein kräftiger Strom in die Gegenrichtung geflossen sein, aber nichts Genaues weiß man nicht. Nach anschließenden eltichen hundert Kilometern Fahrt ist immer noch alles in Ordnung.

Angesichts des Preises für diese Relais von Bosch habe ich mir übrigens einen Schwung dieser Dioden (1N4005) gekauft, 8 Cent das Stück ... In den Mikrorelais sind übrigens die gleichen Dioden ... nur mal so erwähnt ... und man kann sie lautstark zum Platzen bringen, indem man an so ein Relais mal 12V falsch herum anlegt ... aber wer hat das getan, als der Beifahrer sagte, hup doch mal ...

Gruß - Udo
« Letzte Änderung: Di.28.Mai 2019/ 11:00:53 von Udinho »
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Offline Greypoupon

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Re: Alles passiert ...
« Antwort #1 am: Di.28.Mai 2019/ 13:41:21 »
Hallo Udo,

ist doch trotzdem ein gutes Gefühl wenn man weiss, dass es nur ein Relais ist. Interessanter Beitrag kann vielleicht mal nützlich sein  8).

Gruss

Gregor
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Offline SRH4422

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Re: Alles passiert ...
« Antwort #2 am: Di.28.Mai 2019/ 15:14:48 »
Das ist wohl der Grund, warum der Gesetzgeber unnötiges Hupen auch nicht erlaubt ;-)

Ist aber echt erstaunlich, wie ein elektrischer Defekt so viele andere elektrische Verbraucher lahmlegen kann. Hätte nicht damit gerechnet, dass so viele wichtige Verbraucher wie z.B. die Blinker alle an einer Sicherung hängen.

Viele Grüße

Michael
SRH4422 von 10/1968

Offline Udinho

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Re: Alles passiert ...
« Antwort #3 am: Mi.29.Mai 2019/ 09:34:21 »
Michael, ich denke, Du siehst das nicht ganz richtig. Es hängen nicht alle diese Verbraucher an der Sicherung F1 A8. Ja, diese Sicherung ist eigentlich nicht einmal für den Hupenkreis zuständig. Aber auch wenn z.B. jedes Schlußlicht seine eigene Sicherung hat, so fallen sie wegen der vielen Spleißungen bei einem Kurzschluß im Netz u.U. gleichwohl aus, wenn eine auf dem Weg zu ihrem Ort im Netz zu passierende Sicherung ausfällt. Vielleicht kann man mit einer hinreichend raffinierten und komplexen Software den Vorfall simulieren, indem der Weg eines in diesem Netz falsch herum laufenden Stroms aufzuzeigen versucht wird. Was der sich für einen Weg suchen wird, findet man durch Betrachtung des Schaltplans unmöglich heraus, zumal es keinen kompletten Plan auf einem Blatt zu geben scheint (einen habe ich, aber der ist von einem 88er Modelljahr).

Darum geht es doch, denke ich: Die Aufgabe der Diode am Relais besteht darin, die Elektronik zu schützen vor einem falsch herum laufenden Strom, ob das nun aufgrund eines Kurzschlusses passiert oder ob das ein induzierter Abschaltstrom ist. Ich könnte Dir so einen ähnlichen Fall schildern, den ich gerade im TurboR hinter mir habe, da gab es einen Kurzschluß im Kreis der Fußfeststellbremse. Du glaubst gar nicht, was da in der Folge alles ausfallen kann, ohne daß die je eigene Sicherung durchbrennt! Die Komplexität so eines Netzes erfährt man erst so richtig, wenn man tagelang mit der Suche nach dem Fehler beschäftigt ist. Wirklich verstehen wird man sie trotzdem nicht. Dieser Vorfall mit der Feststellbremse, der mich lange Zeit unterhalten hat, würde noch ein eigenen langen Artikel liefern.

Gruß - Udo
SSI SRH17687
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Offline SRH4422

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Re: Alles passiert ...
« Antwort #4 am: Mi.29.Mai 2019/ 10:11:21 »
Stimmt, das habe ich wirklich falsch verstanden.
War schon ein wenig schockiert, dass an einer Sicherung so viele Verbraucher hängen.

Die Suche von elektrischen Fehlern ist wirklich recht aufwändig. Einerseits ist ja erst einmal die Theorie zu verstehen und dann zu überprüfen, ob die Theorie im Fahrzeug auch tatsächlich so vorzufinden ist. Nicht selten, wurde da ja auch schon mal "abgekürzt" oder anders verdrahtet.
Und dummerweise liegen die Strippen mit ihren Steckern mit als erstes im Auto und sind zum mal eben Messen nicht gut zugänglich.

Viele Grüße

Michael
SRH4422 von 10/1968

Offline Udinho

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Re: Alles passiert ...
« Antwort #5 am: Mi.29.Mai 2019/ 10:27:51 »
Stichwort "anders verdrahtet", vielleicht schreibe ich das mit der Feststellbremse doch noch mal auf. Da war u.a. bei der Fehlersuche sehr lästig, daß unser TurboR an dieser Bremse tatsächlich anders verdrahtet ist als im Schaltplan dargestellt. Offenbar haben die späten 91er bereits die Verdrahtung der 92er. Aber bis man auf diese Idee kommt und im 92er Schaltplan weitersucht, hat man sich längst wiederholt und der Verzweiflung nahe die Haare gerauft.

Gruß - Udo
SSI SRH17687
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Offline Ostfale

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Re: Alles passiert ...
« Antwort #6 am: Do.30.Mai 2019/ 12:44:53 »
Hallo Udo,

in deiner Email konnte ich das ja nur erahnen was mit dem Conti R los ist, aber das es so verzwickt ist, hätte ich nicht gedacht.
Was ein kleiner elektrischer Gremlin (durchgebrannte Diode) doch alles verursachen kann!

Hier zeigt sich mMn wieder der Nachteil von Werkstätten, welche keine absoluten Spezialisten sind.
Wirklich ins Detail bei so einer Suche können sie nicht gehen, müssten sie sich erst in die Besonderheiten dieser Baureihe einarbeiten, die Dokumentation dazu besorgen, sich die Zeit für eine wirklich systematische Fehlersuche nehmen...

PCX 46761 (93 Turbo R)

Offline JimKnopf

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Re: Alles passiert ...
« Antwort #7 am: Mi.14.Aug 2019/ 23:35:46 »
Ihr seid Landstraßen gefahren, also vermutlich auf unruhigem Untergrund. Möglicherweise sind mehrere Kabelschuhe unterhalb der Steckplätze - oder an anderer Stelle (erwähnte Festellbremse etwa) - nicht oder nicht mehr gut genug isoliert?

Lose Kabel sind regelmäßig Grund, sich die Haare zu raufen, weil man die nur schwer findet...
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