Hallo,
angeregt von ein paar Fragen zum Thema Korrosionsschutz in Andreas Monsterthread "Blessington und sein Silver Shadow I stellen sich vor" (
http://www.bentley-forum.de/board/index.php?topic=4713.msg63630#new), möchte ich hier meine Vorgehensweise bei der Rostvorsorge vorstellen und freue mich auf einen Erfahrungsaustausch.
Natürlich bin ich auch nicht der Korrosionsschutz-Papst, der die allein gültige Weisheit vertritt, aber ein paar Jahrzehnte Erfahrung habe ich in diesem Bereich schon. Früher oder später beschäftigt sich letztendlich jeder Oldtimer-Besitzer mit dem Thema, weil mormale Pflege den Rost einfach nicht aufhält. Ich denke, hier im Forum gibt es eine Reihe von Erfahrungen zum Thema und sicher auch verschiedene Lösungsansätze.
Der Aufwand, den ich selber dabei betreibe, ist ziemlich groß, dem entsprechende Arbeiten sind im Fachbetrieb kostspielig und lohnen finanziell eigentlich nur bei hochpreisigen Klassikern. Aber auch unsere Autos rosten genau so wie Flügeltürer und Co. Darum empfehle ich, diese Arbeiten selber vorzunehmen, zumal die technischen Fertigkeiten und die Ausstattung dafür überschaubar sind. Es ist nur halt viel Arbeit, vor allem am Anfang.
Um die beschriebenen Arbeiten zu erledigen, braucht man neben dem üblichen Werkzeug im wesentlichen:
- ein einfaches Endoskop mit ausreichend langer Sonde
- Kompressor (Baumarktqualität)
- gute Druckbecherpistole nebst Aufsätzen und Hohlraumsonden
- Elektroschaber
- Kleinteile wie Pinsel etc.
1. FahrzeugbereicheGrundsätzlich unterschieden werden muss beim Korrosionsschutz nach Hohlräumen, Unterboden und Radhäusern. Diese drei Bereiche brauchen eine unterschiedliche Behandlung, da sie verschiedenen Belastungen ausgesetzt sind.
2. DiagnoseAm Anfang der Rostvorsorge steht die Beurteilung des Ist-Zustandes. Hierzu sollten zum einen Unterboden und Radhäuser genauestens inspiziert werden. Ziel ist es, spröden, lockeren und damit meist unterrosteten Unterbodenschutz aufzuspüren. Dazu gehört auch, an kritischen Stellen mit einem Spachtel den Unterboden zu entfernen. Wenn man hier fündig wird, sollte man den U-Schutz großflächig entfernen. Stößt man auf mehrere solcher Stellen, dann sollte der ganze U-Schutz runter. Das ist viel Arbeit mit dem Schaber, darum bietet sich eine Trockeneisbehandlung an. Das Trockeneis schafft aber auch nicht immer alles, darum muss man danach noch einmal mit dem Schaber ran.
Zum anderen müssen
alle Hohlräume geöffnet werden. Hierzu benötigt man idealerweise einen Hohlraumplan. Grundsätzlich sind alle Bodenbeläge, Verkleidungen im Kofferraum, Türverkleidungen, Zierleisten und Stoßstangen zu demontieren, denn hier lauert der Rost. Gelegentlich empfiehlt es sich, an
verdeckter Stelle neue Zugänge zu den Hohlräumen in die Karosserie zu bohren. Alle Hohlräume sind im Anschluss mit dem Endoskop zu begutachten.
3. Schäden durch RostFlugrost und leichter Rostansatz sind kein Problem für moderne Rostschutzmittel, trifft man hingegen auf Durchrostungen oder sogenannten "Blätterteig", dann muss man vor der Rostvorsorge erst die notwendigen Reparaturarbeiten durchführen. Das ist ein ganz eigenes Thema.
4. Einstieg in die RostvorsorgeNun erfolgt die Rostvorsorge. Von Wachs oder wachshaltigen Mitteln sollte man Abstand nehmen. Auch wenn die Hersteller teilweise etwas anderes versprechen, diese Mittel, auch die mit Ölzusätzen, verspröden nach meiner Erfahrung mit der Zeit - der Rostschutz nimmt somit ab. Vorzuziehen sind hingegen Fette, die das Blech inklusive Rostansätze einschließen und damit Rostentstehung sowie Weiterrosten unterbinden. Ich habe mittlerweile mit fast allen Mitteln, die es am Markt gibt, gearbeitet und empfehle verschiedene Produkte auf Fettbasis. Dazu gleich mehr.
Ich sprühe als ersten Schritt mittels Druckbecherpistole den kompletten Unterboden, die Radhäuser und die Hohlräume mit
Fluid Film Liquid A ein. Für ein komplettes Fahrzeug brauche ich hierfür etwa 10 Liter. Das Liquid A hüllt das Blech und den vorhandenen Rost ein, reanimiert alten U-Schutz auf Bitumenbasis und unterwandert diesen, sofern er sich vom Blech gelöst hat. Das lasse ich mindestens eine Woche einwirken, bevor ich mit dem nächsten Schritt fortfahre. Liquid A ist sehr dünnflüssig und kommt fast überall hin. Auch bei kalten Temperaturen wandert es das Blech entlang und schützt so Bereiche, die man beim Sprühen nicht direkt erreicht hat. Das ist ein großer Vorteil, andererseits dünnt aufgrund dessen die Fluidfilm-Schicht aber auch immer weiter aus und bedarf einer regelmäßigen Nachbehandlung (ca. alle 3 Jahre). Außerdem hält Liquid A am Unterboden und besonders in den Radhäusern dem Beschuss mit Spritzwasser nicht stand und wird somit ausgewaschen.
In Bereichen, für die selbst das dünnflüssige Liquid A zu dick ist, wie zum Beispiel an Blechüberlappungen, kommt
Seilfett zum Einsatz. Dieses ist extrem dünnflüssig und wandert auch in die schmalsten Falze.
Ab hier wird nun jeder Bereich gesondert behandelt!
5. Gesonderte Rostvorsorge in den HohlräumenUm nicht spätestens alle drei Jahre sämtliche Hohlräume neu versorgen zu müssen, wird in einem zweiten Schritt
Mike Sanders Fett mittels Druckbecherpistole in die Hohlräume gesprüht. Das ist recht mühsam, da es im Gegensatz zu Liquid A erst erhitzt werden muss, um verarbeitet werden zu können. Nach dieser Behandlung können die Hohlräume wieder verschlossen werden.
Zierleisten, Stoßstangen etc. sollten gesondert von innen mit
Fluid Film Gel BN versorgt werden, um dann wieder montiert zu werden. Gel BN hat ähnliche Eigenschaften wie Mike Sanders, wandert aber nicht über das Fahrzeug, was bei Stoßstangen und Leisten auch wenig schön wäre.
6. Gesonderte Rostvorsorge in den RadhäusernDie Radhäuser sind in der Regel die größten Sorgenkinder. Hier finden sich grundsätzlich die meisten Roststellen und der aufgebrachte Schutz wird permanent mit Schmutz und Wasser beschossen. Wer wirklich auf Nummer Sicher gehen will, der bestreicht mittels Pinsel die Radhäuser dick mit Mike Sanders oder Gel BN und montiert danach darüber
Lokari-Innenkotflügel. Nähere Infos dazu gibt es hier:
https://www.lokari.de/Damit hat man zwar einen neuen Hohlraum geschaffen, aber nach meiner Erfahrung ist das der optimale Schutz. Leider gibt es nicht für alle Fahrzeuge passende Lokaris oder der Platz zur Montage ist zu eng. In diesem Fall trage ich mittels Pinsel eine nicht zu dicke Schicht Gel BN auf, der ich dann im Abstand von je einer Woche zwei Schichten
Hodt Perma Film folgen lasse. So entsteht eine Beschichtung, die aktiv das Blech schützt, ohne zu verspröden, gleichzeitig aber auch dem Beschuss mit Straßenstaub und Spritzwasser standhält.
7. Gesonderte Rostvorsorge am UnterbodenWenn der alte Unterbodenschutz auf dem Fahrzeug verbleibt, dann reicht im Prinzip die regelmäßige, sprich jährliche
, Reanimierung mit Fluidfilm. Bei meinen Winter-Oldtimern mache ich es genau so. Das heißt, ich gehe nach dem Winter unter das Fahrzeug und besprühe den gewaschenen Unterboden mit Fluidfilm. Das ist ein Arbeitsaufwand von einer halben Stunde pro Fahrzeug.
Wer darauf keine Lust hat oder den originalen U-Schutz entfernt hat, dem empfehle ich eine Komplettversiegelung des Unterbodens mit Gel BN mittels Pinsel. Das ist zwar mehrere Stunden Arbeit, hält aber viele Jahre lang. Der Unterboden sollte jedoch jährlich kontrolliert werden, um Auswaschungen auszubessern. Abzuraten ist davon, den Unterboden mittels Mike Sanders zu versiegeln. Dies schützt zwar gut, aber im Sommer wandert Mike Sanders dann am Blechkleid hoch und das Fahrzeug sieht ständig aus, als hätte es in Margarine gebadet.
So, dass war wohl mein bislang längster Beitrag hier im Forum. Ich freue mich auf Anmerkungen dazu sowie eine hoffentlich lebhafte Diskussion.
Voller Vorfreude
Michael