Autor Thema: Muttern/Gewinde Radbolzen  (Gelesen 2535 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline Justus

  • Jr. Member
  • Beiträge: 23
Muttern/Gewinde Radbolzen
« am: So.24.Jun 2018/ 06:19:15 »
Hallo,

ich melde mich mal mit einer Verständnisfrage.

Bei meinem Fahrzeug ist es so, daß auf der linken Fahrzeugseite die Gewinde der Bolzen zur Rafbefestigung ein Linksgewinde aufweisen und auf der rechten Fahrzeugseite ist es ein Rechtsgewinde.
Wenn mann bei einer solchen Konstellation gedancklich nur noch eine translatorische Bdewegung der Muttern zulässt würden sich sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite bei Vorwärtsfahrt die Radmuttern lösen. Solle daher nich das Rechtsgewinde auf der linken und das Linksgewinde auf der rechten Seite sein, dann würden sich die Muttern bei Vorwärtsfahrt quasi immer selber nachziehen.

wenn das selbstnachziehen der Muttern beim Bremsen beabsichtigt wäre, wäre die Konstellation aufgrund des Trägheitsmomentes zwar richtig, bei jedem Bremsvorgang würden sich die Muttern selbst nachziehen aber die Wirkzeit beim Bremsen ist doch eher gering verglichen mit der Wirkzeit der Momente bei Vorwärtsfahrt.

Oder ist im schlimmsten Fall bei mir einfach was falsch montiert?

Ach ja, ich ziehe meine Muttern mit 70Nm an, da sollte sich normalerweise nichts lösen, auch nicht bei Vorwärtsfahrt.

Gruß
Justus

Offline wellenkieker

  • Board God
  • Beiträge: 1.701
Re: Muttern/Gewinde Radbolzen
« Antwort #1 am: So.24.Jun 2018/ 09:35:14 »
Hallo Justus,

das soll so.
Mein persönlicher Gedankengang als Lösungsvorschlag:

Ich nehme an, man bedachte das Bremsen.
Die aus dem Verhältnis der Weg/Zeit Komponente beim Bremsen resultierende Kraft am Beobachtungspunkt
(außen liegender Rand der Radmutter), etwa von 100 km/h auf Stand, ist deutlich größer als beim Beschleunigen.

Da (Trägheit der Masse):

Setzt man um den Drehpunkt der Achse gedanklich Kreisbahnen, deren Radius zunimmt,
so wird eine Kreisbahn mit größerem Radius ( bei bewegtem Rad) auf einem höheren Energieniveau
liegen, als jene mit dem kleineren Radius.
Eine Radmutter befindet sich also von ihrem eigenen Drehpunkt aus gesehen, mit der achsseitig
(nach innen) weisenden Aussenseite auf einem niedrigeren Energienieveau als auf der nach aussen weisenden Seite. Die äußere Seite ( mit dem größeren Radius) ist also der Angriffspunkt der Kraft
beim +   o.    -  beschleunigten Rad
Die wirkenden Kräfte sind beim Bremsen an den Angriffspunkt der Radmutter größer als beim Beschleunigen aus dem Stand auf 100 km/h, da beim Beschleunigen mehr Zeit und eine längere Strecke benötigt wird.
Mittelt man nun beide gegeneinander aus, verbleibt ein Kraftplus beim Bremsvorgang.
Dieser findet nun konstruktiv Eingang und ist an der Radaufnahme verbaut, so daß die Mutter tendenziell
nachzieht, anstatt zu lösen.

Da die Messingmuttern keinen hohen Drehmoment vertragen, hat man sich für diese Bauart,
rechts-rechts, links-links, entschieden.
Ich ziehe auf 60 Nm.


Bei aktuellen Modellen liegt das zwar genauso, aber der oftmals mehr als doppelt so hoch angesezte
Drehmoment löscht die Relevanz der Betrachtung.
Eben für Dumme gemacht, das Neue, die den Pressluftschrauber auf Stahlmuttern rattern lassen.
Messingschrauben aber eben killen. ::)

Stefan

Offline Gert

  • Board God
  • Beiträge: 1.422
    • Gert`s HP
Re: Muttern/Gewinde Radbolzen
« Antwort #2 am: So.24.Jun 2018/ 10:09:43 »
7kg / 70NMm laut Rep-Anleitung
LRE23184 16 Jahre rumgestanden und ich muß es ausbaden

Offline Justus

  • Jr. Member
  • Beiträge: 23
Re: Muttern/Gewinde Radbolzen
« Antwort #3 am: So.24.Jun 2018/ 11:10:58 »
Hallo Stefan,

Du hast recht. Das deckt sich mit meinen Ausführungen, das wirkende Moment lässt sich ja leicht aus der Winkelgeschwindigkeit und dem Trägheitsmoment ermitteln. Und selbstverständlich ist auch der Gradient der Änderung der Winkelgeschwindigkeit beim Verzögern größer als bein Beschleunigen.

Was mich halt nur wundert:
Es wirken auch bei konster Geradeausfaht mit konstanter Geschwindigkeit ständig aus der Trägheit wirkende Momente welche die Mutter in Löserichtung zu drehen versuchen.
Bei Kardanwellen wird genau aus diesem Grunde Bolzen und Mutter so eingebaut das sich die Mutter bei normaler, unbeschleunigter Fahrt von selber anzieht. Die Problematik von Verzögerung und Bremsen trifft da genauso zu. Dort wäre die bei unseren Fahrzeugen sogar richtig weil der Bolzen eine höheres trägheitsmoment besitzt und somit sich das Gesamtsystem aus Mutter und Bolzen von selbst bei normaler Fahrt mit gleichbleibender Geschwindigkeit anzieht. Bei uns ist der Bolzen aber fest mit der Nabe Verbunden d.h. Das höhere Trägheitsmoment des Bolzens kann eben kein Moment erzeugen welche das  aus der Mutter resultierendevLösemoment überkompensiert.

Aber vielleicht ist des Rätsels Lösung ja viel trivialer: das Fahrzeug wurde in GB entwickelt, dort werden Richtlinien sehr genau (manchmal ohne den Sinn zu überprüfen) angewandt. Möglicherweise gab es dort eine entsprechende Konstruktionsrichtlinie welche Bolzen/Muttern Verschraubungen behandelt und die wurde halt "einfac angewandt".

Was mich aber beruhigt, es ist nichts vertauscht und  sich von selbst lösende Muttern scheinen ja auch nicht allzu häufig vorkommen.

Gruß
Justus

Offline Gert

  • Board God
  • Beiträge: 1.422
    • Gert`s HP
Re: Muttern/Gewinde Radbolzen
« Antwort #4 am: So.24.Jun 2018/ 12:38:03 »
Ihr hab die sichernde Wirkung der Wölbung in der Felge rund um das Loch des Radbolzens noch nicht besprochen. Ebenso die Folgen, wenn diese Wirkung verschwindet, weil Radbolzen / Muttern mal zu fest angezogen waren.
LRE23184 16 Jahre rumgestanden und ich muß es ausbaden

Offline Falcone

  • Sr. Member
  • Beiträge: 214
  • Silver Wraith II - LRG 34948
Re: Muttern/Gewinde Radbolzen
« Antwort #5 am: So.24.Jun 2018/ 20:42:01 »
Viel zu kompliziert abgeleitet.  ;)
Es sind die feinen Vibrationen, die beim Bremsen auftreten und bewirken könnten, dass sich eine Radmutter löst.
Das trifft auf die Kardanwelle vermutlich nicht zu

Offline wellenkieker

  • Board God
  • Beiträge: 1.701
Re: Muttern/Gewinde Radbolzen
« Antwort #6 am: Mo.25.Jun 2018/ 10:30:27 »
Hallo Justus,

Deiner letzten Ausführung folgend würde ich meinen, eben genau dies schlägt sich im notwendigen
Anzugsdrehmoment nieder.

Zusätzlich dann die, eingangs aufgeworfene, Laufrichtung, sonst wäre der Moment sicherlich ein größerer.
Dies wiederrum lassen aber die weichen Felgen nicht zu, daher auch weiche Muttern und eine
Laufrichtungsberücksichtigtung, damit der niedere ( für die weichen Felgen ) Momemt hinreicht.

Die Anflanschung der Kardanwelle auf das Kupplungsstück zur Differentialwelle ist mit reichlich Schrauben
belegt, welche einen geringen Anzugsmoment haben, wenn ich es richtig erinnere, stimmt hier
meine Drehrichtungstheorie mit dem Gewindelauf überein.

Das Anflanschen des Kupplungsstückes auf die Diff-welle hat wiederrum ein immenses Drehmoment.

Stefan


Offline wellenkieker

  • Board God
  • Beiträge: 1.701
Re: Muttern/Gewinde Radbolzen
« Antwort #7 am: Mo.25.Jun 2018/ 10:32:30 »
Hallo Falcone,

das ist sicherlich richtig,

jedoch fehlt mir hier der Bezug zu Eingangsfragestellung.
Der nach der Sinnhaftgikeit der konstruktiv
vorgegebenen Laufrichtungsunterscheidung.

Stefan

Offline wellenkieker

  • Board God
  • Beiträge: 1.701
Re: Muttern/Gewinde Radbolzen
« Antwort #8 am: Mo.25.Jun 2018/ 10:33:53 »
Moin Gert,

all Deine Ausführungen kann ich nur bestätigen.
Du hast recht.

Stefan

Offline Falcone

  • Sr. Member
  • Beiträge: 214
  • Silver Wraith II - LRG 34948
Re: Muttern/Gewinde Radbolzen
« Antwort #9 am: Mo.25.Jun 2018/ 12:34:32 »
Stefan, der Grund für die beiden unterschiedlichen Gewindedrehrichtungen hattest du doch schon ganz richtig ausgeführt. Nur der Grund für die Möglichkeit des selbstständigen Lösens ist meines Erachtens ein anderer.

Offline wellenkieker

  • Board God
  • Beiträge: 1.701
Re: Muttern/Gewinde Radbolzen
« Antwort #10 am: Mo.25.Jun 2018/ 13:25:30 »
Hallo Falcone,


beruhigt ;)


Stefan

Offline Justus

  • Jr. Member
  • Beiträge: 23
Re: Muttern/Gewinde Radbolzen
« Antwort #11 am: Mo.25.Jun 2018/ 20:12:14 »
Danke an alle für die Antworten,

ich nehme aus der Diskussion für mich folgendes mit:
1. Bei meinem Fahrzeug ist nicht vertauscht und alles richtig montiert.
2. Mein Anzugsmoment der Radmuttern ist korrekt.
3. Bedauern das ich es verpasst habe direkt mit den Ingenieuren in Crewe das Thema zu diskutieren, es wäre bistimmt interessant gewesen.

Vielen Dank
Gruß
Justus

Offline Falcone

  • Sr. Member
  • Beiträge: 214
  • Silver Wraith II - LRG 34948
Re: Muttern/Gewinde Radbolzen
« Antwort #12 am: Di.26.Jun 2018/ 11:06:51 »
Ich vermute, von den Ingenieuren hättest du erfahren, dass dies zum einen schon immer so gemacht wurde und dass man zum anderen sowieso noch ein großes Kontingent Linksgewinde rumliegen hat, die ja erst mal weg müssen.  :)

Offline cferbrecht

  • Professional
  • Beiträge: 5.809
  • Ich liebe dieses Forum!
Re: Muttern/Gewinde Radbolzen
« Antwort #13 am: Do.12.Jul 2018/ 12:19:02 »
Auch bei den FIAT-Fahrzeugen, die ich im Laufe meines Lebens mal hatte, waren die Radmuttern (oder waren Bolzen?) links mit Linksgewinde - ist also keine englische Marotte...

Grüße aus dem Norden
Claus F. Erbrecht
Heaven's Gate Garage
GmbH & Co. KG
www.bentleyteile.de
Quidvis recte factum, quamvis humile, praeclarum