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Probefahrten mit Ghost und Wraith

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Ex-DRB15051:
Mehr oder weniger durch Zufall geriet ich während unseres Frankreich-Urlaubs an die Einladung zur Vorstellung des Ghost Series II, veranstaltet von Rolls-Royce Monaco.

Der illustren Gesellschaft - außer uns natürlich alle aus dem Kreis der Schönen und Reichen - wurde ein Vorführexemplar der Series II gezeigt. Für den nächsten Tag konnte man sich dann zu Probefahrten mit dem Ghost I und dem Wraith anmelden. Na, dachte ich mir, die Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder und natürlich habe ich mich angemeldet für eine Tour mit dem Ghost.

Die startete am nächsten Morgen, vom Cap Ferrat ging es in Richtung Monaco so etwa 15 KM über die Moyenne Corniche. Und weil wohl kaum jemand fahren wollte (die Reichen und Schönen haben ja alle Chauffeure!) konnte ich dann gleich anschließend nochmal die Tour mit dem Wraith fahren. Begleitet wurde man von netten Engländern, die wohl mit den Autos auf Europa-Promo-Tour sind. Auf die Sicherheits- und Elektronik-Ausstattung des Wagens angesprochen, wurde mir dann sehr ausführlich erklärt, wie toll das jetzt in der Zusammenarbeit mit BMW sei, man könne nun eben alles einbauen, was es dort gibt. Und so ist es denn auch. Im Umkehrschluss gibt es aber eben auch nicht mehr davon extra für RR, es ist halt nur teurer, wenn die gleichen Teile dort eingebaut werden.

Dann hier mal kurz meine Eindrücke:

Beide Autos fahren sich, wie man das von der Luxusklasse erwartet. Und sicherlich auch bei den Modellen aus München oder Stuttgart fast ebenso hat. Das Fahrverhalten ist, für so schwere Wagen, dennoch unerwartet sportlich und die Wagen erscheinen handlich und gut zu steuern. Schlaglöcher und sogar die in Frankreich ach so beliebten Holperschwellen stecken beide bestens weg. Per Head-up-Display bekommt man alle relevanten Infos schön auf die Scheibe projiziert.

Der Wraith ist - nur konsequent - etwas sportlicher im Fahrwerk. Ansonsten ist aber zwischen den Fahrzeugen wenig Unterschied im Fahrverhalten.

Für mich erstaunlich war eigentlich, wie wenig Unterschied es mittlerweile zwischen den aktuellen RRs und anderen Luxus-Karossen gibt. Das Flair, das diese Autos eigentlich verströmen sollten (und das meine Corniche ganz eindeutig versprüht) habe ich nicht wieder gefunden. Es sind einfach ganz normale, sicher hervorragende Luxusfahrzeuge.

Ein paar Sachen fand ich aber schon bemerkenswert:

- Obwohl ich den Fahrersitz recht hoch gefahren hatte und ich auch kein Sitz-Zwerg bin, sah ich Emily nicht komplett, sondern nur Kopf und Oberkörper. Der Rest verschwindet für den Fahrer hinter einer stark gewölbten Motorhaube. Geht nicht, finde ich
- Während der Abendveranstaltung habe ich einen Blick in eine Liste mit Extras geworfen - und mich mit Grauen abgewandt: Es wird tatsächlich eine Emily aus Milchglas angeboten, die per LEDs blau beleuchtet werden kann. Da ist der Weg zur Unterbodenbeleuchtung mit farbigen LEDs ja nicht mehr weit. Und welche Sünde am Symbol der Marke!!
- Während der Veranstaltung lief ein Image-Film, in dem Herr Müller-Ötvös beschwor, wie rein englisch das Auto doch sei. Danach wurden Szenen eingespielt von Probefahrten des neuen Ghost in der Arktis. Und der hatte schön fett und deutlich erkennbar Münchner Nummernschilder :-D. Da hätte man doch wenigstens ein bisschen Bildbearbeitung machen können
- Am ausgestellten Ghost II sprangen mir gleich einige Sachen recht unangenehm ins Auge:
Schreckliche Spaltmaße, wie kann ein Auto so aus dem Werk gelassen werden?
In den Vertiefungen, in die der Kofferraumdeckel geht, waren Dichtungen krumm und schief eingesetzt, das sah wirklich schlimm aus. Und man sah rundum vorne wie hinten bei geöffnetem Motorraum bzw. Kofferraum fette Schweißpunkte, die nur überlackiert waren, da war nichts gerade gezogen oder glatt gemacht - sehr primitiv. Ebenso behandelt waren die Übergänge der verschiedenen Karosserie-Blechteile, da ziehen sich, ebenfalls krumm und schief, dicke Wulste drüber. Nicht schön und bei einem Auto dieser Preisklasse doch höchst ungewöhnlich.

Wie Ihr jetzt vielleicht bemerkt habt - so richtig begeistern konnten mich beide Fahrzeuge nicht ...

Wraith39:
Ein höchst interessanter, sehr erhellender Bericht, vielen Dank!
Natürlich kann man jetzt getrost folgern: Da bleiben wir doch bei der charmanten Unvollkommenheit unserer klassischen, aber eben charaktervollen Fahrzeuge. Dennoch schwebt die Frage "Was macht die neuen RR so attraktiv?" im Raum.
Besonders geschockt bin ich auch von den Verarbeitungsmängeln, da wird in den einschlägigen Videos aber etwas anderes erzählt.
Eine Frage hätte ich zum Schluß noch an den Testfahrer: Wie war der Geruch im Auto? Haben sie auch das Connolly-Flair der alten Fahrezueg oder riechen sie auch nach BMW? :)

Ex-DRB15051:

--- Zitat von: Wraith39 am Mi.27.Aug 2014/ 21:05:29 ---Ein höchst interessanter, sehr erhellender Bericht, vielen Dank!

--- Ende Zitat ---
Danke für das Lob  :D


--- Zitat ---Natürlich kann man jetzt getrost folgern: Da bleiben wir doch bei der charmanten Unvollkommenheit unserer klassischen, aber eben charaktervollen Fahrzeuge.

--- Ende Zitat ---

Das kann man in der Tat. Jeder gut gepflegte "Alte" verströmt mehr Charme als diese Autos. Und jeder dicke BMW oder Benz fährt genau so gut


--- Zitat ---Dennoch schwebt die Frage "Was macht die neuen RR so attraktiv?" im Raum.

--- Ende Zitat ---

Nichts. Sie sind es ja auch nicht. Im letzten Jahr hat RR ganze 3.630 Fahrzeuge verkauft. Eine mikroskopisch kleine Menge. Es gibt ja alleine rund 1.500 Milliardäre weltweit. Alleine in Peking leben 184.000 (!!) Millionäre, in Europa gibt es rund 3,5 Mio. davon. Da erscheint mir die Menge an Autos, die RR verkauft, doch verschwindend gering.

Die Marke lebt von der Substanz. Jedes Jahr hebt sie einen guten Betrag von ihrem Image-Sparbuch ab und zahlt nichts ein. Wir, die wir auf den Straßen mit unseren Autos fahren, wir zahlen noch was ein.

Bentley macht es schon geschickter und verkauft denn eben auch mehr als 10.000 Autos in 2013.


--- Zitat ---Besonders geschockt bin ich auch von den Verarbeitungsmängeln, da wird in den einschlägigen Videos aber etwas anderes erzählt.

--- Ende Zitat ---

Ja, das hat mich auch schockiert. Anbei mal zwei Bilder. nicht so gute Qualität, es war dunkel, auf denen man die Ecken der Kofferraum-Sicke unten rechts und links sieht. Man sieht das mittig schlecht eingepasste Stück Plastik und dann eben die an der tiefsten Stelle reingekloppten Dichtungen. So ungefähr sollte man es auf den Bildern erkennen können, in echt war das ein furchtbarer Anblick. Jeder Golf sieht da besser aus.


--- Zitat ---Eine Frage hätte ich zum Schluß noch an den Testfahrer: Wie war der Geruch im Auto? Haben sie auch das Connolly-Flair der alten Fahrezueg oder riechen sie auch nach BMW? :)

--- Ende Zitat ---

Ja, guter Punkt. Dazu habe ich nichts geschrieben, weil, da war nix ... der Geruch entsprach dem eines neuen Vorführwagens der gehobenen Klasse, wie eben einem Benz oder BMW. Also, es roch nicht nach Klebstoff und Plastik, aber auch nicht nach Holz und Leder.

Wraith39:

--- Zitat ---Die Marke lebt von der Substanz. Jedes Jahr hebt sie einen guten Betrag von ihrem Image-Sparbuch ab und zahlt nichts ein. Wir, die wir auf den Straßen mit unseren Autos fahren, wir zahlen noch was ein.
--- Ende Zitat ---

Ein sehr sinniger Satz! Anscheinend aber hat die Marke uns als Werbebotschafter noch nicht wirklich entdeckt, denn ihr Image hängt ja auch am Zustand unserer Farhzeuge.
Nochmals vielen Dank für die Betrachtungen, die so ähnlich auch von einem altgedienten RR-Mechaniker aus England bestätigt wurden, als er den neuen Phantom in Goodwood probegefahren ist. Er sagt nur: Das Flair ist weg.

Ex-DRB15051:

--- Zitat von: Wraith39 am Do.28.Aug 2014/ 10:37:31 ---Anscheinend aber hat die Marke uns als Werbebotschafter noch nicht wirklich entdeckt, denn ihr Image hängt ja auch am Zustand unserer Farhzeuge.

--- Ende Zitat ---

Auch dazu habe ich auf diesem Event Erkenntnisse der besonderen Art gewonnen: Sobald man den anwesenden RR-Boys sagte, man fahre bereits Rolls-Royce waren sie natürlich entzückt. Als ich aber die Frage, welchen ich denn fahre, korrekt beantwortet hatte, 73er RR Corniche DHC wurde der Blick ganz stumpf und jegliches Interesse an mir ging unter Null. Hat mich gewundert, dass keiner vor mir ausgespuckt hat oder ich des Events verwiesen wurde ...

Naja, vielleicht mögen ja Neuwagen-Verkäufer generell keine Oldtimer-Fahrer, weil sie wissen, wo wir unser Geld versenken.

Übrigens war der Event auch sonst enttäuschend: Schlecht organisiert, keine Ansprache der Anwesenden mit irgendwas und die Häppchen waren auch eher knapp bemessen. Wenigstens war der Champagner kalt  8). Gemessen daran, dass man mir und anderen dort ja schließlich ein Auto für > 350.000€ verkaufen wollte, fand ich das doch enttäuschend.

Und die Strafe dafür folgte auch auf den Fuß: In dem Moment, als man alle zum etwas entfernt platzierten Ghost II geleiten wollte, fing es an zu regnen. Das einzige Mal in 14 Tagen an der Côte d'Azur. Und nicht mal genügend Schirme waren vorbereitet, obwohl der Wetterbericht das schon korrekt vorher gesagt hatte ...

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